Gipfeltreffen der ADAC Luftrettung mit Bundesgesundheitsminister Lauterbach
Das Gesundheitssystem in Deutschland steht kurz vor den größten Veränderungen seit Jahrzehnten. Aus diesem Grund haben sich heute rund 60 führende Vertretende aus Politik, Medizin, von Kliniken und Krankenkassen auf Einladung der gemeinnützigen ADAC Luftrettung, die als eine der größten Luftrettungsorganisationen Europas eine zentrale Rolle in der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland einnimmt, zu einem Spitzengespräch mit Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach getroffen. Bei dem Expertenaustausch in Berlin ging es neben den bevorstehenden Reformen auch um neue Perspektiven für die Notfallversorgung und den Rettungsdienst.
„Gerade im Notfall beweist sich die Güte eines Gesundheitssystems. Ziel muss es sein, Patienten dann schnell, gut und am richtigen Ort zu versorgen, sagte Bundesgesundheitsminister Lauterbach und betonte: „Dafür stimmen wir Krankenhausreform, Notfallreform und die Reform der Rettungsdienste aufeinander ab. So kombinieren wir effektiv organisierte Notaufnahmen mit sinnvollen Rettungseinsätzen. Das sind wir Patienten, Einsatzkräften und Ärzten wie Pflegekräften in Krankenhäusern und Arztpraxen schuldig.“
Der kürzlich vorgelegte Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung enthält unter anderem die Schaffung von neuen Akutleitstellen (Notrufnummer 116117), die digital eng vernetzt mit den bestehenden Rettungsleitstellen (112) für eine schnellere Versorgung von kritischen Notfallpatienten sorgen sollen. Zudem sind z.B. Integrierte Notfallzentren (INZ) geplant, in denen Patienten immer eine bedarfsgerechte ambulante medizinische Erstversorgung erhalten. Diese wird gewährleistet durch die Zusammenarbeit von zugelassenen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten. Solche INZ soll es auch für Kinder und Jugendliche geben.
„Wir unterstützen diese Reform ausdrücklich, weil wir überzeugt sind, dass eine Neugestaltung der Notfallversorgung nur durch eine enge digitale Vernetzung aller Beteiligten der Rettungskette möglich ist. Die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums enthalten viel Gutes und sind insgesamt geeignet, um die Patientensteuerung in der Notfallversorgung sowie die Qualität der Behandlungen wesentlich zu verbessern“, lobte Frédéric Bruder, der Geschäftsführer der ADAC Luftrettung gGmbH. Insbesondere die Sicherstellung einer 24/7-telemedizinischen Versorgung könne ein wichtiger Beitrag zu einer effizienteren und besseren medizinischen Versorgung für Hilfesuchende leisten, Versorgungslücken nachhaltig schließen und das Rettungswesen insgesamt entlasten.
Bruder erklärte, dass die Reformen des Gesundheitssystems weitreichende Folgen besonders auch für die Versorgungslandschaft im ländlichen Raum haben. Es sei absehbar, dass durch eine verbesserte Patientensteuerung die Luftrettung in Deutschland an Bedeutung gewinnen werde – etwa durch den schnellen Transport von Notfallpatienten in Spezialkliniken. „Wir sind bereit, um den erhöhten Anforderungen an unsere Leistungsbereitschaft gerecht zu werden“, betonte Bruder. Seiner Meinung nach bestehen jedoch noch große Herausforderungen, um die akutmedizinische Versorgung der Bevölkerung aus der Luft in Deutschland weiter zu verbessern.
Zur Weiterentwicklung der schnellen Hilfe aus der Luft gehören für die ADAC Luftrettung folgende Themenschwerpunkte:
- Eine nationale Perspektive für den Rettungsdienst
- Eine länderübergreifende Bedarfsplanung orientiert an integrierten Versorgungsstrukturen
- Lückenlose Versorgung durch 24-h-Einsatzbereitschaft und Ausbau der Landemöglichkeiten
- Erleichterter Einsatz von Notärzten durch arbeitszeitgesetzliche Anpassungen
- Anpassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes für medizinisches Personal im Rettungsdienst
- Digitale Dokumentationslösungen durch offene Schnittstellen vereinheitlichen
- Ausweitung der zulässigen Vertragslaufzeiten in der Luftrettung
- Qualität und Ausfallsicherheit als verbindliche Zuschlagskriterien
- Rahmenbedingungen für den Sekundärtransport weiterentwickeln
- Gesetzliches Festhalten einer Experimentierklausel zur Erprobung neuer Versorgungskonzepte
- Durchführung der Luftrettung als integrierte Dienstleistung
- Sichere Nutzung der Rettungswinde fördern
- Rettungsdienst als Leistungssegment des SGB V
- Eindeutige Festlegung politisch-behördlicher Zuständigkeiten durch die Länder
Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, nicht jeder Rettungseinsatz benötigt einen Notarzt vor Ort. Durch die zusätzliche Option eines Telenotarztes lassen sich ärztliche Kapazitäten bedarfsgerechter planen und einsetzen sowie das Knowhow der Notfallsanitäter stärken. Daher plädiert die ADAC Luftrettung für eine bundesweite Etablierung telenotärztlicher
Systeme sowie hierfür gesetzliche Rahmenbedingungen.
Bis zum Eintreffen des Rettungshubschraubers am Einsatzort kommt es vor allem auf Ersthelfer an. Hier gebe es in Deutschland noch viel Luft nach oben. Aus Sicht der ADAC Stiftung, zu der die ADAC Luftrettung gehört, sollte es in Deutschland zur Norm werden, dass Betroffene im Notfall in weniger als fünf Minuten eine Reanimation erhalten und ausgebildete Ersthelfende in der gleichen Zeitspanne am Einsatzort sein können. Die Reform der Notfallversorgung sollte vor diesem Hintergrund auch die Erstversorgung berücksichtigen, um eine schnelle und wirksame Versorgung bereits am Einsatzort zu gewährleisten.
Zur bestmöglichen Einbeziehung der Bevölkerung in die Rettungskette sind folgende Punkte erforderlich:
- Flächendeckender und verpflichtender Reanimationsunterricht:
- Bessere Forschungs- und Datenlage im Bereich Reanimation.
- Digitale Ersthelfersysteme als Regelangebot
- Einheitliche Qualifikationsstandards für flächendeckende digitale Ersthelfersysteme
Um die Weiterentwicklung der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes bestmöglich aufeinander abzustimmen, ist es aus Sicht der ADAC Luftrettung sinnvoll, beide Reformschritte möglichst parallel zu bearbeiten und zu beraten.