Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlasse er den Hangar des ADAC Rettungshubschraubers „Christoph 18“ in Ochsenfurt. Während Ernst Freier diesen Satz sagt, hört man, wie viel Wehmut in seiner Stimme mitschwingt. „Es ist halt mein Baby“, gibt der 64-jährige Würzburger zu, „und da schmerzt das Loslassen schon“. Freier ist Malteser und gehört als Leitender Rettungsassistent zur Besatzung des Rettungshubschraubers, seit dieser 1980 in Ochsenfurt installiert wurde. Er ist der dienstälteste, noch aktive Rettungsassistent auf einem Rettungshubschrauber in Deutschland – im Fachjargon TC HEMS genannt (Technical Crew Member Helicopter Emergency Medical Services). Von den mehr als 60.000 Rettungseinsätzen, die „Christoph 18“ in diesen über 40 Jahren abgearbeitet hat, war Ernst Freier bei vielen tausend dabei.
Ein Leben ohne den Hubschrauber könne er sich nicht vorstellen. „Fliegen ist für mich wie für andere Sauerstoff“, hat Freier mal gesagt – und dann kann man sich vorstellen, wie er sich am Mittwochnachmittag fühlt, als er seinen Funkmeldeempfänger symbolisch an seinen Malteserkollegen Dennis Kolbe übergibt, der ihm auf dem Rettungshubschrauber als TC HEMS nachfolgt. „Die Fußstapfen sind groß, in die ich da trete“, weiß Kolbe voller Respekt vor der jahrelangen Hochleistung seines Vorgängers.
Respekt und Anerkennung, ja Hochachtung war von allen Seiten zu hören bei der offiziellen Verabschiedung von Ernst Freier, die coronabedingt nur im ganz kleinen Kreis im großen Hubschrauberhangar der ADAC Luftrettung neben der Mainklinik in Ochsenfurt stattfinden konnte. „Ernst Freier steht seit mehr als 40 Jahren stellvertretend für die hervorragende Arbeit und das große Engagement der Crew von „Christoph 18“ in Ochsenfurt. Er hat seine Arbeit als TC HEMS auf unserem ADAC Rettungshubschrauber vorbildlich gelebt wie kaum ein anderer. Dafür gebührt ihm unser großer Dank“, würdigte Frédéric Bruder, Geschäftsführer der gemeinnützigen ADAC Luftrettung das Berufsleben des fliegenden Gelben Engels.
„Ernst Freier ist Luftretter mit Herz und Hand. Sein Engagement ging weit über die verantwortungsvolle Erfüllung seiner Aufgaben hinaus. Ich denke zum Beispiel an die um-fangreiche Sanierung der Luftrettungsstation 2012 bei der er tatkräftig mitwirkte“, sagte Christine Haupt-Kreutzer, Vorsitzende des Rettungszweckverbandes“ und Rainer Kaufmann, Malteser Bezirksgeschäftsführer, fügte nachdenklich hinzu: „Ernst Freier hat beim „Christoph 18“ auf eine ganz besondere Art eine Heimat gefunden. Heimat ist ein Ort, wo man sich zuhause fühlt, weil es einfach schön ist. Ein Ort, an dem es Menschen gibt, die man sehr mag, Freunde, die einen begleiten. Heimat ist verbunden mit viel Dankbarkeit und Geborgenheit aber auch mit der Gewissheit, dass irgendwann der Tag kommt, an dem man loslassen muss, um seine Heimat in guter Erinnerung zu behalten.“ Dieser Tag war am 30. Juni 2021 für Ernst Freier gekommen.
Stellvertretend für die Kollegen überreichten Dr. Julian Küstermann, Leitender Hubschrauberarzt, und Christian Stangl, Stationsleiter und Pilot, in Erinnerung an die gemeinsamen Jahre zahlreiche Geschenke, darunter ein von allen Stationsmitgliedern unterschriebener Helm und einen extra für Ernst Freier kreierten „Patch“ für die Einsatzkleidung.
„Christoph 18“ gehört mit rund 2.000 Einsätzen pro Jahr zu den am häufigsten alarmierten ADAC Rettungshubschraubern in Deutschland. Ähnlich viele Starts und Landungen verbuchen nur die Stationen in Berlin sowie Wittlich und Koblenz in Rheinland-Pfalz. Im Vergleich der acht bayerischen Stationen liegt Ochsenfurt an der Spitze – vor Straubing und München. Mit mehr als 50 Rettungshubschraubern und 37 Stationen ist die gemeinnützige ADAC Luftrettung eine der größten Luftrettungsorganisationen Europas. Die ADAC Rettungshubschrauber gehören zum deutschen Rettungsdienstsystem, werden immer über die Notrufnummer 112 bei der Leitstelle angefordert und sind im Notfall für jeden Verunglückten oder Erkrankten zur Stelle.
In Ochsenfurt besteht die sehr erfahrene Crew aus Piloten der ADAC Luftrettung, Notärzten der Main-Klinik Ochsenfurt und des Uniklinikums Würzburg sowie Notfallsanitätern des BRK, der Malteser und Johanniter Würzburg.